Heimat ist mehr als ein Haus. Es ist die räumliche, soziale und ideelle Bindung an einen bestimmten Ort. Sie gibt den Menschen Halt und Kraft. Heimat ist auch für traditionsreiche Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Ressource. Viele hegen und pflegen ihren Stammsitz, belassen ihn – äußerlich – im Urzustand, ohne ihn absterben zu lassen. Im Gegenteil. Nicht nur Firmenmuseen und -archiv haben am Stammsitz ihren Platz, sondern auch das Top-Management sollte an dem Ort angesiedelt sein, der den Geist und die Geschichte des Unternehmens lebt.
Otto Scheck siedelte sich nach dem sog. Anschluss von Österreich an das Großdeutsche Reich in München an. Der Kaufmann eröffnete im Frühjahr 1939 ein Einzelhandelsgeschäft, an dem er keine lange Freude hatte. Der Krieg machte sein Geschäft des „Herrnstüberl“ zu Nichte. Ende 1945 meldete er es – „da zerstört“ – ab. Ein Jahr später ist er mit der ersten „Wintersportkollektion“ wieder am Markt. So die Darstellung des Unternehmens, das einmal das größte Sportartikelhaus der Welt war.
Der Aufstieg lässt sich mit der allgemeinen Entwicklung (Wirtschaftsaufschwung, Freizeitgewinn, Sportifizierung) erklären, die Otto Scheck mit einem geschickten Marketing zu nutzen wusste. Er übertrug die Bergsport-Abteilung Hermann Buhl, der auch die Leitung des Tourenprogramms übernahm. Der Ausnahmebergsteiger zog die Aufmerksamkeit ebenso auf sich wie Wolfgang Güllich, der die Grenzen des Kletterbaren immer weiter verschob. 1981 organisierte Sport-Scheck das „Woodstock der Freikletterer“ und führte den „Outdoor“-Begriff in Deutschland ein.
Die Ausweitung des Angebots (und Filialisierung) führte zu einer Popularisierung, die auf Kosten der Spezialisierung ging. Sohn Klaus favorisierte den Ski- und Tennissport. Die Bergsport-Profis zogen mehr und mehr Spezialanbieter vor, die sich ein entsprechendes Profil erhalten konnten. 1991 kam Sport Scheck zur Otto-Gruppe, die das Unternehmer 2019 an eine Tochter der Signa Holding weiterreichte. Nach deren Insolvenz musste vor einem Jahr auch Sport-Scheck die Zahlungsunfähigkeit bekannt geben.
Bis zum Frühjahr 2024 konnte der Insolvenzverwalter zwar einen Retter finden, die italienische Cisalfa gab jedoch den Münchner Stammsitz auf. Das war konsequent: Es ging ums Geld und nicht um die Geschichte. Zumal der ehemalige Bergsportartikelhändler schon lange zum Omnisportartikelanbieter mutiert ist. Warum dann noch in der teuren „Hauptstadt des deutschen Bergsteigens“ vertreten sein?
Warum? Weil der Ort Heimat ist und viel zu erzählen weiß: von Anfängen und Enden, von Motivation und Innovation, vom Unternehmergeist, den die Unternehmerfamilie beseelte, vom spirit, den ein Team braucht, um den restart zu schaffen. Wie vor mehr als 75 Jahren als Sport-Scheck in den Bergsport-Markt eintrat.