Nirgends hat Deutschland jemals so deutlich seine Macht und seine Ansprüche demonstriert, wie an diesem Ort im Südosten Nürnbergs. Auf dem so genannten Zeppelinfeld ließen ab dem Herbst 1934 die Nationalsozialisten das Militär seine Mittel und Möglichkeiten präsentieren. Jahr für Jahr, zur Begeisterung der Besucher der „Reichsparteitage“, zum Erschrecken vieler Beobachter aus dem Ausland diente der letzte Tag der NS-Massenveranstaltung der „Glorifizierung“ der „neuen Armee Deutschlands“, wie ein französischer Diplomat nach Paris telegraphierte. Die Franzosen erkannten auch recht bald, wem und was die Machtdemonstrationen galten: Krieg, Besetzung, Vernichtung.
Aufmärsche und Paraden, Gefechtsübungen und Schauschießen fanden vor jener 340 Meter breiten Haupttribüne statt, die – zumindest im Kern – den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit überstanden hat. Sicher, noch die amerikanischen Besatzungstruppen sprengten das Eichenlaub umkränzte Hakenkreuz vom Dach und die Stadt Nürnberg beseitigte – wegen „Baufälligkeit“ – die seitlichen Säulengalerien, aber der imposante Mittelbau mit der bekannten Rednerkanzel und der Ehrentribüne blieben erhalten. Nach langen Jahren des „Sprengens und Verdrängens“ nahm sich die ehemalige Stadt der Reichsparteitage dann doch auch dieser Geschichte an, ließ sich nach einer ersten, umstrittenen Ausstellung „Faszination und Gewalt“ in der Zeppelintribüne auf den Um- und Ausbau eines Teils der nie fertig gestellten Kongresshalle zu einem „Dokumentationszentrum“ ein, das die Geschichte des Geländes in einem größeren Zusammenhang darstellte.
Trotz dieser „Verarbeitung“ der Vergangenheit musste die Stadt letztlich auch noch die Verantwortung für die Zeppelintribüne übernehmen, die sich in ihre Bestandteile aufzulösen drohte. Aus der Not eine Tugend machend entwickelten die Verantwortlichen ein „Projekt zum Erhalt eines besonderen nationalen Erbes“. Die Erhaltung der Tribüne gab dem Ganzen jedoch nicht genug Gehalt, das Zeppelinfeld musste mindestens – wie sich das im 21. Jahrhundert gehört – zu einem „internationalen Lernort“ entwickelt werden. So verbrämt verbuchte das Sanierungskonzept die entscheidenden Erfolge, Bund und Land sagten die Übernahme von gut zwei Drittel der geschätzten Kosten zu. Den Rest muss die Stadt selbst tragen.
Kritiker monierten von Anfang an nicht nur das biedere Programm für den außerordentlichen Ort, sondern ihnen war auch die geplante Sanierung einfach zu schlicht. In der Tat wäre für den absehbar dreistelligen Millionen-Betrag die einfache Wiederherstellung der Zeppelintribüne ein teures Unterfangen. Auch der vorgesehene Innen-Ausbau als „Lernort“ und die auf dem Gelände zu erwartenden „Lerninseln“ – sicher interaktiv und multimedial – rechtfertigen den Aufwand und die Kosten nicht. Warum findet für das Geld nicht auch eine architektonische Bearbeitung der Zeppelintribüne statt wie das Günther Domenig mit dem Kopfbau der Kongresshalle für das Dokumentationszentrum vorgemacht hat? Die Anwälte des Täterortes lehnen das ab. Warum dann nicht das Zeppelinfeld so umgestalten, wie das beim Musée Guerre et Paix en Ardennes gelöst wurde. Es wurde unterirdisch gebaut mit einem aufgerissenen Schützengraben als Dach (Bild). Schützengräben stehen natürlich nicht für den Zweiten Weltkrieg. Bunker aber schon. Befestigte Stellungen sollten zuerst den deutschen Vormarsch aufhalten und dann die „Festung Europa“ sichern, Bunker waren ein Ort des Schutzes, aber auch der Gewalt. Sie stehen für Krieg und Vernichtung und sind noch an vielen Orten noch sichtbar.
Warum nicht einen Bunker in das Zeppelinfeld bauen? In der Mitte des Feldes den Rasen im Format der umgebenden Tribünen soweit anheben, dass gleichsam eine umläufige Schießscharte entsteht. Der Eingang vis-à-vis des Mittelbaus könnte wie ein dunkler Schlund in die Tiefe führen und der Ausgang gegenüber wieder ans Licht. So könnte für die Besucher ein Parcours entstehen, der sie vom Haupteingang der Zeppelintribüne über den „Goldenen Saal“ und die Treppenaufgänge auf die berühmt-berüchtigte Rednerkanzel und die Ehrentribüne führt, von der sie auf das Zeppelinfeld blicken und in den Eingangsschlund des „Bunkers“. Eine Einladung, auch dunkle Seite der Geschichte in den Blick zu nehmen und den „Bunker“-Bau zu besuchen. In diesem könnte die Dokumentations-, Bildungs- und Erinnerungsstätte zur Geschichte und Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft untergebracht werden, die der Deutsche Bundestag im Herbst 2020 beschlossen hat. Mit dem Vorschlag fände also nicht nur das nationale Zentrum zur Aufklärung über den Zweiten Weltkrieg, der deutschen Besatzung und ihrer Opfer einen originären Ort, sondern der Täterort auch eine Entsprechung, die zu den auf den Nürnberger Reichsparteitagen propagierten Taten passt. (cws)